Amtrak Cascades entgleist - 3 Tote

  • Am 21.05.2019 gab es das abschließende NTSB Board Meeting zur Entgleisung von Amtrak 501 bei DuPont. Der schriftliche Final Report wird in einigen Wochen folgen. Schon heute gibt es eine Pressemitteilung mit den wichtigsten Ergebnissen: https://ntsb.gov/news/press-releases/Pages/mr-20190521.aspx


    Alle Dokumente, Biographien der Beteiligten, Interviews, Untersuchungsergebnisse z.B. Datarecorder etc., sind für die, die es interessiert, hier zu finden: https://dms.ntsb.gov/pubdms/se…AA9-86A3-935E882E234E0D8F


    Laut NTSB war es ein weiterer Unfall, der durch PTC verhindert worden wäre. Die Pressemitteilung beginnt (übersetzt) wie folgt: Das Versäumnis, eine gefährliche Kurve wirksam abzumildern, und die unzureichende Ausbildung eines Lokomotivführers führten zur Entgleisung eines Amtrak-Personenzugs, der von einer Eisenbahnbrücke auf eine stark befahrene Autobahn in DuPont, Washington, raste, teilte die NTSB am Dienstag mit.


    Und weiter unten: Das NTSB stellte fest, dass der Ingenieur sowohl für die Strecke als für die Ausrüstung (Siemens Charger) nicht ausreichend geschult war. In Klammern ist meine Ergänzung.


    Und: Die Ermittler stellten außerdem fest, dass der an dem Unfall beteiligte Trainset (Talgo Serie 6) nicht den aktuellen Crash-Anforderungen entsprach und nur im Rahmen eines Grandfathering-Vertrags (Waivers/Ausnahmegenehmigung) mit der FRA betrieben werden durfte. Er sei strukturell anfällig bei Entgleisungen oder Kollisionen mit hoher frei werdender Energie.


    Das NTSB bezieht sich hier darauf, dass sich ein Portal losgerissen hat, dass die Lasten aus zwei Wagenkästen auf die Einzelräder überträgt, und zu den tödlichen Verletzungen geführt haben soll. https://aws1.discourse-cdn.com…0df6e9e157e6e5138568.jpeg


    Ich habe meine Zweifel, dass die üblichen amerikanischen Waggons besser abgeschnitten hätten. Das Volpe Institut in den USA hat längst in vergleichenden Untersuchungen festgestellt, dass die europäischen Wagen mit "Knautschzonen" besser abschneiden als die amerikanischen "Panzer". Die Züge stammen von 1998, damals galt noch nicht die EN 15227 sondern die UIC 561, deren Anforderungen ichnicht kenne.


    Und abschließend eine, aus meiner Sicht, vernichtende Kritik an den beteiligten Organisatoren: Für die Planung, Sicherheit und Überwachung des Cascades-Betriebs waren zahlreiche Organisationen verantwortlich, darunter Amtrak, das Washington State Department of Transportation, die Federal Railroad Administration und die Central Puget Sound Regional Transit Authority. Die Ermittler stellten allgemein fest, dass keiner der Teilnehmer den Umfang ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Hinblick auf den sicheren Betrieb des Dienstes vollständig verstanden hatte, so dass kritische Sicherheitsbereiche nicht angesprochen werden konnten.


    Der Final Report wird sicher noch weiter ins Detail gehen.
    Gruß, Volker

  • Inzwischen ist der Final Report in schriftlicher Form erschienen: https://go.usa.gov/xyCxg


    Hier die mögliche Ursache übersetzt aus dem Report: 3.2 Mögliche Ursache
    Das National Transportation Safety Board stellt fest, dass die wahrscheinliche Ursache für die Entgleisung des Amtrak Zuges 501 das Versäumnis der Central Puget Sound Regional Transit Authority war, eine wirksame Sicherung der Gefahrenkurve in Abwesenheit von PTC zu gewährleisten. Dies erlaubte dem Amtrak-Lokführer, aufgrund seiner unzureichenden Ausbildung auf dem Territorium und unzureichenden Ausbildung auf dem für ihn neuen Lokomotivtyp mit zu hoher Geschwindigkeit in die 30 mph Kurve einzufahren. Zu dem Unfall trug die Entscheidung des Washington State Department of Transportation bei, mit dem Regelbetrieb zu beginnen, ohne dass sichergestellt war, dass die Sicherheitszertifizierung und -überprüfung auf dem in der vorläufigen Gefährdungsbeurteilung festgelegten Niveau abgeschlossen worden war. Zur Schwere des Unfalls beigetragen hat die Entscheidung der FRA, Waggons für den Fahrgastbetrieb zuzulassen, deren strukturelle Steifigkeit nicht den geltenden Vorschriften entsprach. Dies führte zu (1) Verlust des Überlebensraumes und (2) dem Versagen der Gelenkverbindungen zwischen den Waggons mit sekundären Kollisionen mit umgebenden Strukturen und als Folge schweren Schäden an den Waggonstrukturen. Dadurch gin der Schutz für die Insassen verloren, so dass Passagiere heraus geschleudert, verletzt und getötet wurden.


    Es folgt eine Vielzahl an Empfehlungen (Recommendations), zu viele um sie hier alle aufzuführen. Eine Empfehlung an die FRA finde ich ziemlich gewagt:
    (R-19-012) Entfernen Sie die Bestandsschutz-Bestimmung aus dem Code of Federal Regulations 338.206 (d) in Titel 49 und fordern Sie, dass alle Waggons den derzeit geltenden Sicherheitsstandards entsprechen.


    Der verunglückte Zug war ein Talgo Serie VI aus der Mitte der 1990iger Jahre. Sie entsprachen bei Zulassung in den USA nicht den damaligen Kollisionssicherheitsvorschriften und erhielten von der FRA eine Ausnahmegenehmigung. Sie entsprechen auch nicht den heutigen europäischen Vorschriften. Bitte nicht mit dem Talgo Serie 8 verwechseln, der auf der gleichen Strecke unterwegs ist und den FRA Vorschriften bei Einführung entspricht. Wenn die Züge aus dem Betrieb genommen werden sollen, verstehe ich das. Die Forderung des NTSB, dass alle Waggons den derzeitigen Vorschriften (applicable current safety standards) entsprechen sollen, würden den Personenzugverkehr in den USA ins Chaos stürzen.


    Da Personenzugwagen in den USA oft über 40 Jahre alt sind, frage ich mich wie viele den derzeiten Vorschriften entsprechen. Es werden nicht viele sein.


    Wenn man Abschnitt 2.6.3 im Final Report durchliest, dann heißt es dort, dass nur der Talgo VI einen offiziell genehmigten Bestandsschutz besitzt. Die NTSB bezieht sich auf 49 CFR 238.206(d). In allen Gesetzestexten, die ich im Internet eingesehen habe feht der §206????


    Ich bin auch der Meinung der Talgo VI hätte einen Waiver von der Vorschriften erhalten.


    Irgend etwas scheint bei NTSB ein wenig durcheinander.
    Gruß, Volker


    Edit: Ich habe 49 CFR 238 im Bereich ab Abschnitt 200 einmal durchgesehen. Wie gesagt gibt es keinen Abs. 206, aber der Abs. 203 enthält unter (d) eine Grandfathering- (Bestandsschutz-) Klausel.
    Abs. 203 fordert, dass nach dem 8. November 1999 alle Personenzugwagen für eine statische Last von 800.000 lbs auf Höhe der Kupplungen ausgelegt sein müssen. Private cars sind ausgenommen und für Waggons, gebaut vor dem Stichtag, wird angenommen, dass sie die Forderung erfüllen, außer der Betreiber weiß es anders bzw. die FRA zeigt es an.


    Für Waggons, die dann noch durchs Raster fallen, gibt es die Möglichkeit, Bestandsschutz zu beantragen: 203 (d)(1)Grandfathering approval is equipment and line specific. Grandfathering approval of non-compliant equipment under this paragraph is limited to usage of the equipment on a particular rail line or lines. Before grandfathered equipment can be used on another rail line, a railroad must file and secure approval of a grandfathering petition under paragraph (d)(3) of this section.


    Meine oben geäußerten Befürchtungen relativieren sich dadurch. Selbst die 1975 gebauten Amfleet I Waggons sollen die Forderung erfüllen. Für andere Forderungen wie Anti-Climber, Kollisionspfosten, Eckpfosten etc. gibt es keine Notwendigkeit, Bestandsschutz zu beantragen, da die Forderung nur für Neubauten gelten und nicht rückwirkend wie Abs. 203.

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